Tren-nung

Es gibt die grosse Liebe. Die tiefe Freundschaft. Doch gibt es auch eine gute Trennung?

Eins vorweg: Eine Trennung ist selten für beide Partner gleich gut. Vielleicht im Nachhinein, aber wohl kaum in dem Moment. Meistens geht einer, und der andere bleibt zurück.

Ich blieb damals zurück. Und meine Trennung war nicht schön. Auch deshalb kann ich sagen, wie man es hätte besser machen können.

Beziehungen, ich denen man mehrere Jahre oder Jahrzehnte zusammen war, Kinder bekommen hat, gemeinsam durch Dick und Dünn gegangen ist, einander alles anvertraut hat, den Partner besser kennt als jeder andere – solche Beziehungen haben es nicht verdient, mit einem Bang zu enden. Denn ganz ehrlich: was sagt das über uns selbst aus? Heisst es, wir haben in einer Illusion gelebt, in einem Paralleluniversum? War alles Gehirnwäsche? Haben wir während der letzten Jahre oder Jahrzehnte geschlafen oder wurden genötigt, in dieser Beziehung zu bleiben? Es gab ja einen guten Grund, warum man zusammenkam. Warum es knisterte, warum die Schmetterlinge ihre Runden drehten, warum die Welt – zumindest eine Zeitlang – rosa war. Es gab auch zig Gründe, zusammenzubleiben. Wischt man alles weg und betrachtet die vergangenen Jahre als den grössten Irrtum seines Lebens, dann frage ich mich: Wofür war es dann gut? Reine Zeitverschwendung? Sollte die Passage aus dem Lebenslauf komplett getilgt werden?

Weise Menschen in meinem Umfeld sagten mir ein paar Mal den Satz: «Irgendwann wirst du dafür dankbar sein.» Es fiel schwer, Dankbarkeit zu empfinden, wenn das eigene Ego sich irgendwo unter die Erde vergraben hat. Doch nach und nach stellte sich dieses Gefühl ein. Denn ja, ich bin dankbar. Dankbar für die gemeinsamen Kinder. Für die gemeinsamen Erinnerungen. Für die gemeinsamen ersten Male. Für die Gespräche, die Tränen, den Beistand. Dafür, wo ich heute bin. Und nein, es muss nicht sofort relativiert werden mit «hätte ich es nicht gemacht, würde es mir auch gut gehen». Ja, ganz bestimmt würde es das. Aber anders. Und auch da hätte ich keine Garantie.

Neulich hörte ich in einem Podcast etwas von einer liebevollen Trennung. Trennungen passieren. Ab einem bestimmten Alter werden sie quasi zum Alltag. Menschen lieben sich. Menschen trennen sich. Sie entwickeln sich in unterschiedliche Richtungen. Oder sie entwickeln sich gar nicht. Dann muss man sie gehen lassen. Ja, gerade wenn man liebt, muss man sie gehen lassen. Die Verantwortung liegt hauptsächlich bei demjenigen, der die Entscheidung getroffen hat. Es liegt an ihm, die Wahrheit auszusprechen. Und egal in welche Watte sie verpackt wird, sie wird dem Partner den Boden unter den Füssen wegreissen. Selbst wenn dieser seit Monaten das Gefühl hat, etwas würde nicht stimmen.

Doch sich zu trennen bedeutet auch, die Stärke zu haben, seinem Partner in die Augen zu blicken. Ihm Zeit zu geben, den Schock zu überwinden und sich dann gegenüberzusitzen – möglicherweise bei einem Therapeuten oder Mediator – und seine Gründe zu benennen. Hier geht es nicht um Diskussionen, um «den Partner zurückgewinnen», um Rache oder Umstimmungsversuche (auch wenn diese kommen, kann ein Mediator an der richtigen Stelle eingreifen). Hier geht es um ein Gespräch auf Augenhöhe. Zwei Erwachsene Menschen sitzen zusammen und besprechen, warum diese Liebe keinen Bestand hatte. Und wie man die Trennung für alle gemeinsam meistert. Ganz besonders, wenn Kinder betroffen sind.

Und wenn man genug Selbstachtung als auch Achtung vor dem Partner hat, wird man dieses klärende Gespräch abwarten, bevor man sich auf eine neue Beziehung einlässt. Aus Respekt dem Ex- als auch dem neuen Partner gegenüber. Denn was für eine Basis ist es für die neue Beziehung, wenn der neue Auserwählte geheim gehalten werden muss. Oder sich vorwerfen lassen muss, er oder sie sei gar der Grund für die Trennung gewesen.

Es ist wie bei einem Blatt Papier. Irgendwann bekommt es einen Riss. Und irgendwann reisst es in zwei Teile. Manche schaffen es, sie wieder zusammenzukleben. Dann reissen sie wieder. Oder halten bombenfest. Doch an der Risskante ist unschwer erkennbar, dass sie mal zusammengehört haben. Diese Risskante bleibt. Sie ist wie ein Daumenabdruck. Einmalig, individuell. Sie macht uns zu den Menschen, die wir sind. Wir wachsen, wir entwickeln uns, wir lernen dazu. Und irgendwann kommt ein neues Blatt, das sich an die Risskante anfügt.

All das setzt allerdings zwei wichtige Dinge voraus: Erstens, dass BEIDE Ex-Partner sich erwachsen verhalten. Und zweitens, dass es sich um eine gesunde Beziehung gehandelt hat. In der sich nicht einer für den Anderen «aufopfern» musste, in der keiner die Liebe des Partners mit Ersatz für mangelnde Selbstliebe verwechselt.

Ich bin inzwischen überzeugt davon, dass es mehr als die vermeintliche eine grosse Liebe im Leben eines Menschen gibt. Und dass eine Liebe Platz machen muss, um die nächste hereinzulassen. Unsere Reise auf dieser Welt dauert 80, 90 oder gar 100 Jahre. Wir können nicht davon ausgehen, dass ein einzelner Mensch die ganze Zeit über unser Mitreisender bleibt. Und wenn dem so ist, so gibt es wahrscheinlich auch mehr als eine Trennung. Und nein, ich bin nicht pessimistisch wenn ich hoffe, es beim nächsten Mal besser hinzubekommen.


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