Eine Trennung zu durchleben, ist niemals einfach. Nicht für den, der geht, und erst recht nicht für den, der bleibt. Sich vom Ex-Partner zu verabschieden, sich umzudrehen und nicht mehr zurückzublicken ist eine persönliche Herausforderung. Und doch wartet auf der anderen Seite etwas Neues, Unbekanntes. Zunächst das eigene Ich, das neu entdeckt werden will. Und dann die vielen Abenteuer, die man mit dem neuen Ich erleben darf.
Doch dieses Modell funktioniert nicht für alle. Denn sobald Kinder im Spiel sind, wird es kompliziert. Umdrehen und nicht zurückblicken ist keine Option. Das neue Ich, dass nun im Vordergrund stehen soll, muss erstmal warten. Denn da sind ein, zwei, drei oder mehr kleine Seelen, die ebenfalls involviert sind. Die eine Trennung der Eltern verkraften müssen. Die unsicher sind, wütend, beschämt und traurig. Und die mit der Entscheidung der Eltern absolut nichts zu tun haben, sie aber mit ausbaden dürfen.
Eine langfristige Beziehung zu beenden, verlangt uns viel ab: Ozeane voller Tränen, Sirenenähnliche Wutanfälle, schlaflose Nächte – der Körper und die Seele sind im Krisenmodus. Oftmals ist ein friedlicher Umgang miteinander gar nicht möglich. Und sich zusammenzureissen, wenn Kinder in Hörweite sind, respektvoll miteinander umzugehen, um den Kleinen zu demonstrieren, dass alles in Ordnung ist, dass auf Mama und Papa noch Verlass ist, ist oftmals ein wahrer Kraftakt. Und manchmal ist die Wut, die Trauer, so gross, dass es schlichtweg unmöglich ist, einander friedlich zu begegnen. Und doch sind wir hier die Erwachsenen. Die Vorbilder, die vorbildlich handeln sollten. Alles, was wir unseren Kindern vorleben, speichert sich bei ihnen unter Beziehungsmustern ab und wird sie ihr Leben lang begleiten. Sicherheit und Nestwärme, geregelter Alltag, Kontakt zu beiden Eltern sind für die Kinder von entscheidender Bedeutung. Ein wütender Vater, der gegenüber der Mutter unangemessen laut wird, löst in den Kindern automatisch einen Beschützerinstinkt aus. Eine Mutter, die den Vater ihrer Kinder öffentlich diskreditiert, Mitleid. Offene Konflikte ums Geld oder Unterhalt lassen sie denken, sie wären dafür verantwortlich. Die Kinder sitzen zwischen den Stühlen, und egal wie schlecht ein Elternteil in den Augen des anderen sein mag, sie lieben es. Kinder lieben ohne Vorbehalte, und das muss ihnen auch eingestanden werden. Sie dürfen weder manipuliert noch auf irgendeine Seite gezogen werden. Die Genugtuung für den Manipulierenden wäre nur von kurzer Dauer, zurück bleiben traumatisierte Kinder, die mit all den Vorurteilen zu Scheidungskindern zu kämpfen haben. Die sich fragen, ob sie Mama oder Papa noch lieben dürfen. Und sich selbst die Schuld an der Situation geben.
Doch wie bleibt man nun eine Familie, obwohl Mama und Papa nicht mehr zusammen sind? Zunächst: Beide müssen an einem Strang ziehen. Beide müssen in der Lage sein, ihr eigenes Ego hintenanzustellen und die Kinder zu priorisieren. Beide müssen sich auf Augenhöhe begegnen und lernen, respektvoll miteinander umzugehen. Die Trennung ist nun vollzogen. Der Ex-Partner sollte nicht mehr für die eigenen Fehler herhalten müssen. Mehr kann nicht werden, einen grösseren Schlussstrich gibt es nicht. Überlegt euch gemeinsam, was nun für die Kinder am besten wäre. Wie ihr es gemeinsam schafft, ihnen den Übergang in dieses neue Lebensmodell zu erleichtern. Wer zieht aus? Besteht die Möglichkeit, dass die Kinder weiterhin in ihrer gewohnten Umgebung aufwachsen? Wie sieht es finanziell aus? Muss es gleich ein Anwalt sein, oder wäre ein Mediator nicht der bessere Schritt? Wie oft sehen sie das andere Elternteil? Gibt es die Möglichkeit, gemeinsame Zeit zu verbringen, und sei es nur eine halbe Stunde, um ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass Mama und Papa mit der Situation gut umgehen?
Die Theorie klingt immer einfach. Sie in die Praxis umzusetzen, ist eine Herausforderung. Wenn man gedemütigt wurde. Einem das Selbstwertgefühl genommen wurde. Wenn der Partner einem keine Chance für ein friedliches Gespräch lässt. Wenn Groll und Wut und Vorwürfe alles überschatten. Oder wenn der Partner auf und davon ist, und mit seinem alten Leben abgeschlossen hat.
Doch nach jeder Krise bekommen wir die Möglichkeit, uns weiterzuentwickeln. Um zu dem Menschen zu werden, der wir wirklich sind, und der wir sein wollen. Jede Krise ist somit die Chance für einen Neuanfang. Wir können selbst entscheiden, ob wir ihn mit Hassgefühlen und Selbstmitleid beginnen, oder mit innerer Stärke und Lebensfreude. Wir wachsen sprichwörtlich über uns hinaus. Und diese neue, selbstbewusste, starke Frau ist in der Lage, ihrem Ex-Partner auf Augenhöhe zu begegnen. Dann, wenn es nötig ist, zu ignorieren, zu verzeihen und sich nicht provozieren zu lassen. Nicht aus der Schwäche, sondern aus der Stärke heraus. Um mit sich selbst im Reinen zu sein.
Geht nicht? Kannst du nicht? Dann führe dir mal Folgendes vor Augen: Sowohl du als auch dein Ex-Partner würden, ohne zu zögern, ihr Leben für das eures Kindes hergeben. Warum sollten dann nicht beide in der Lage sein, das Leben ihrer Kinder wenigstens nicht negativ zu beeinflussen? Ist das wirklich zu viel verlangt?
Konflikte lassen sich nicht immer vermeiden. Im Gegenteil, sie sind wichtig, sie gehören zum Leben dazu. Sie vor den Kindern zu verbergen und auf heile Welt zu machen, ist genauso falsch. Doch es hängt von euch ab, wie ihr sie bewältigt. Auf welchem Niveau ihr miteinander sprecht, in welchem Ich. Ist es das verletzte Kind-Ich, das besserwisserische Eltern-Ich oder das Erwachsenen-Ich, das nüchtern und rational über das Problem diskutieren kann, ohne Vorwürfe, Anklagen und Verletzungen?
Und wenn nun es gar nicht an dir liegt? Wenn es der Ex-Partner ist, der einen friedlichen Umgang miteinander unmöglich macht? Reibe dich nicht daran auf. Schaffe Abstand. Beschränke den Kontakt aufs Nötigste oder suche einen Mittelsmann, um Besuche etc. zu regeln. Gib dem Gegenüber Zeit, seine Emotionen zu verarbeiten. Auch ein Paartherapeut kann dabei helfen, den richtigen Ton füreinander zu finden.
Wie auch immer ihr auseinander geht: Ihr bleibt euer Leben lang miteinander verbunden. Ihr bleibt eine Familie, ob ihr das nun wollt oder nicht. Ihr werdet euch früher oder später wieder begegnen, auch wenn ihr euch bestmöglich aus dem Weg geht. Lasst eure Kinder unbeschwert aufwachsen. Lasst sie sich sicher fühlen. Geliebt. Positiv in die Zukunft blickend. Ohne Bindungs- und Verlustängste. Ohne Schuldgefühle. Und lasst nicht zu, dass sie irgendwann eine Wahl treffen müssen.