Ich weiss nicht, wie es dir geht, aber ich kann mich an Dutzende von Geschichten junger Mütter erinnern, die in den ersten Monaten ihrer Mutterschaft alle dasselbe berichteten:
- Ich schlafe kaum mehr als drei Stunden am Stück
- Ich weiss nicht, wann ich das letzte Mal geduscht habe
- Ich weiss auch nicht, wann ich das letzte Mal allein im Bad war
- Ich trage am Abend meistens (noch immer) den Pyjama
Erkennst du dich da wieder?
Die sozialen Medien sind voller perfekter Bilder von perfekten Babys mit ihren scheinbar perfekten Müttern. Die letzteren sehen dabei immer top gestylt aus, sie haben keine Augenringe, ihre Frisur sitzt und es findet sich kein Milch- oder Spuckfleck auf ihrer weissen Bluse. Was machen die anderen 99% der Mütter nur falsch? Fehlt es ihnen schlichtweg am Stylisten und der Night Nurse (ja, das gibt es!)? Oder haben sie diese Art von Babys, von welchen man liest, die bereits nach zwei Wochen eine ganze Nacht durchschlafen? Vielleicht ist es sowohl als auch, vielleicht aber ist es dieselbe Scheinwelt, in der Dutzende von Filtern benutzt werden, nur um eine möglichst hohe Diskrepanz zwischen Foto und Realität aufzuzeigen.
Perfekt gibt es nicht. Wir sehen nicht, was hinter den Kulissen passiert. Wir wissen nicht, ob diese Mütter wirklich glücklich sind. Und die Babys ausgeglichen. Diese Welt eignet sich nicht zum Vorbild.
Doch auch ohne die sozialen Medien steht jede Mutter unter Beobachtung und unter dem Druck, es allen recht machen zu müssen. Da wären die anderen Mütter aus der Krabbelgruppe, die Schwiegermutter, der Ehemann oder Partner, die Nachbarn, die eigene Familie – sie alle reden mit, sie alle wissen ganz offensichtlich, wie man es besser machen sollte. Und die wenigsten von ihnen fragen DICH, wie es dir dabei geht. Ob du genug schläfst. Ob du genug isst. Ob du Hilfe benötigst. Wir trimmen uns selbst so sehr darauf, es allen recht zu machen – und natürlich müssen wir es unserem Baby recht machen – dass wir dabei vergessen, uns um uns selbst zu kümmern. Wir setzten uns selbst unter Druck, weil unsere Erwartungshaltung an uns so hoch ist.
Kennst du auch diese?
- Mein Baby bekommt jeden Tag nur Selbstgekochtes. Und natürlich Bio. Und ja keine Fertigprodukte.
- Ich singe / lese / tanze meinem Baby jeden Tag vor, damit es sich gut entwickelt.
- Ich habe eine bestimmte Einschlaftechnik aus einem schlauen Ratgeber.
- Wenn das Baby schläft, kümmere ich mich um den Haushalt.
Das wären ein paar der Aussagen von perfekten Müttern. Auch ich habe sie praktiziert. Es ist ja nur löblich, seinem Kind frisches und gesundes Essen zuzubereiten. Und gegen ein sauberes Heim hat auch niemand etwas auszusetzen. Doch wenn alles so richtig ist, warum sind wir dann am Abend so erschöpft? Warum vergessen wir, wann wir zuletzt unter der Dusche standen? Oder schaffen es nicht, uns umzuziehen?
Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass wir zu streng zu uns sind. Dass wir unsere eigenen Regeln nicht brechen wollen. Weil wir das Gefühl haben, dass das der einzig richtige Weg ist. Weil es alle so machen und weil es bei allen (vermeintlich) funktioniert. Weil unsere Mütter es bereits so gemacht haben. Wir haben doch nun, was wir uns so sehnsüchtig gewünscht haben? Nun müssen wir da durch, ohne Jammern, ohne uns zu beschweren.
Müssen? Nein, müssen wir nicht. Es spricht überhaupt nichts dagegen, aus bestimmten Mustern auszubrechen. Du bist genau die Mutter, die du sein möchtest. Sie kann cool sein, gelassen, in sich ruhend, gechillt, nicht aus der Ruhe zu bringen. Und trotzdem liebend und fürsorglich.
Daher ist es okay:
- Sich hinzulegen und zu schlafen, wenn das Baby schläft. Alles andere kann warten. Alles andere muss warten.
- Um Hilfe zu bitten, wenn man nicht mehr kann. Und wenn es nur eine Stunde ist, in der die Oma oder eine Freundin mit dem Kinderwagen rausgeht.
- Zu weinen. Eine Schwangerschaft und die Geburt lösen geradezu eine hormonelle Explosion aus. Dein Körper vollbringt Höchstleistungen, deine Gefühlswelt gleicht einer Achterbahnfahrt. Es ist aber nicht alles Sonnenschein. Manchmal bist du auch müde, überfordert, weisst nicht weiter. Halte deine Tränen nicht zurück. Aber versuche auch, dich mitzuteilen. Öffne dich deinem Partner, deiner Freundin oder deiner eigenen Mutter. Du bist nicht allein. Und was du gerade erlebst, gehört ebenso dazu wie die glücklichen, erfüllten Augenblicke, wenn du dein Kind im Arm hälst.
- Das Baby dort schlafen zu lassen, wo es für die Mutter am bequemsten ist. Ob es nun das gemeinsame Bett ist oder das Beistellbettchen. Das ist allein deine Entscheidung. Und wenn es für deinen Partner zu viel ist, könnte er vielleicht ins Gästezimmer oder auf die Couch ausweichen – so habt ihr beide eine ruhigere Nacht.
- Mal nicht zu kochen. Mal nicht aufzuräumen. Mal nicht die Wäsche zu waschen. Auch wenn es niemanden gibt, der dir das abnehmen kann, geht es auch mal ohne. Bestelle dir Sushi, endlich ist roher Fisch wieder erlaubt! Bügeln wird überbewertet. Und solange dein Baby nicht krabbelt und den Boden abschleckt, muss dieser auch nicht klinisch rein sein
- Jeden Tag rauszugehen. Aber es ist genauso okay, den Kinderwagen auf den Balkon rauszuschieben, wenn das Baby schläft – weil du in dieser Zeit ebenfalls etwas Ruhe hast.
- Mit dem Baby auszugehen – sogar am Abend! Du hattest vor deiner Mutterschaft ein Leben – hole es dir zurück! Es muss nicht gleich das schickste Restaurant sein, aber irgendwann entwickelt sich ein gewisser Rhythmus, so dass du dir am Abend auch Freiheiten gönnen kannst. Und Babys mögen die Stille gar nicht mal so sehr. Plus: sie sind Menschen und damit Gewohnheitstiere. Autofahren, Zug fahren, selbst Fliegen – all das kann man mit einem Baby machen. Auch mit Hilfe vom nächsten Punkt:
- Es sich so einfach wie möglich zu machen. Auf Hilfsmittel zurückzugreifen, die dir dein Leben erleichtern. Das fängt bei einer (elektrischen) Wippe an über Tragetuch bis hin zu einem mobilen Babybrei-Wärmer. Entspanne dich. Du machst vielleicht nicht alles richtig, aber das meiste. Du liebst dein Kind über alles, und alleine das macht dich bereits zu einer guten Mutter, weil du dein Kind beschützt und dich darum kümmerst. Entspannte Mütter haben im Übrigen oft auch entspannte Kinder!
- An sich selbst zu denken. Denn auch für alle anderen steht das neue Familienmitglied an erster Stelle. Keiner meint es böse, aber jeder fragt zunächst, wie es dem Nachwuchs geht. Wenn du dich nicht um dich selbst kümmerst, läufst du Gefahr, dass es keiner tut.
- Sich nicht nur als Mutter zu fühlen. Ja, es ist die wahrscheinlich wichtigste Aufgabe deines Lebens. Aber du bist auch eine Frau. Eine Partnerin. Eine Freundin. Ein erwachsener Mensch mit Bedürfnissen. Stelle sie nicht komplett zurück. Es gab ein Leben vor dem Baby. Und ehe du dich versiehst, ist aus dem Baby ein Kleinkind, ein Schulkind, ein Teenager geworden. Bewahre dir deine Hobbies. Finde neue. Erweitere deinen Horizont. Auch wenn du aktuell an fast nichts anderes denken kannst. Triff dich bewusst mit deinen kinderlosen Freundinnen. Und sei für ein, zwei Stunden nicht die Mama. Sondern nur du selbst. Das wird dir gut tun, aber auch deinen Freundschaften.
Das Ablegen bzw. Reduzieren der Erwartungshaltung an dich selbst wird dich gelassener machen. Und es wird dir auch helfen, deine Rolle als entspannte Mutter zu festigen. Nicht nur für die ersten achtzehn Monate sondern auch darüber hinaus.
👏🏻👏🏻👏🏻👏🏻👏🏻👏🏻
🥰