Seit ich Mutter bin…

Seitdem ich Mutter bin ist alles anders. Ich schlafe selten durch. Und noch seltener länger als sieben Stunden. Ich höre jeden Huster aus dem Nebenzimmer, selbst im Tiefschlaf. Ich trage keine weissen T-Shirts in der Öffentlichkeit, wenn meine Kinder dabei sind. Ich trinke viel mehr Kaffee. Ich habe nach jedem Mal Stillen immer mehr Weiblichkeit eingebüsst. Ich kenne mich mit sämtlichen Ekzemen aus. Und habe alle Viren höchstpersönlich „ausprobiert“. Meistens auch mehrfach. Ich weiss mehr über Hunde, Legofiguren, Peppa Wutz oder Harry Potter, als mir lieb ist. Ich war Chauffeur für Fussball, Basketball, Tennis, Kung Fu, Eiskunstlauf, Eishockey und Klavier. (Jep, ich sehe es auch, musikalisch haben wir echten Nachholbedarf.) Ich esse ganz viel, ohne zu teilen. Heimlich. Ich verstecke Fernbedienungen (und kann sie anschliessend nicht mal mehr finden). Ich wasche tonnenweise Wäsche. Ehrlich. Tonnenweise. Ich habe das dreckigste Auto, dass man sich vorstellen kann. Obwohl darin zu essen strengstens verboten ist. Ich muss auf Spielplätze. Dabei mag ich keine Spielplätze. Wahrscheinlich wären sie mit einer Picknickdecke und einer Flasche Prosecco erträglicher. Habe ich aber nie ausprobiert. Ich komme immer zu spät. Lebe in der Schweiz und komme zu spät. Das ist beschämend. Aber ich trage auch keine Uhr. (Sollte das jemand von IWC oder Rolex lesen: Liesse sich leicht ändern!) Ich musste aufhören, zu frühstücken. Denn, wenn ich frühstücke, kommen wir noch später. Ich trage fast ausschliesslich flache Schuhe. Heels stehen mir viel besser. Aber mit denen kann ich weder Autofahren noch meinen Kindern hinterherrennen. Die beste Zeit des Tages ist, wenn die Kinder im Bett sind. Und egal wie müde ich dann bin, bilde ich mir noch ein, ich muss wach bleiben. Schliesslich bin ich die Erwachsene hier. Und muss Erwachsenensachen machen. Also irgendetwas mit meinem Telefon. Ich gehe seltener aus. Ungefähr 95% seltener. Und wenn ich ausgehe, bin ich um 12 Uhr müde. Und wenn es doch mal zeitlich für einen Club reicht, komme ich mir vor, wie vom anderen Planeten. Weil die 20-jährigen alle in Jeans und Turnschuhen hoppeln, während ich mich schick gemacht habe, für den einen Abend in sechs Monaten.

Ich denke zurück an meine Studentenzeit, mit einem dreistelligen Budget, einem 12qm-Zimmer und Vorlesungen um 8 Uhr, und es kommt mir vor, wie die aufregendste Zeit meines Lebens.

Bin ich so alt? Ist es – wie bei Babys – nur eine Phase? In 10 Jahren beginnen bei meinen Kindern die Auszüge, das Selbständigwerden. Ich komme meiner Freiheit näher. Aber will ich sie überhaupt? Werde ich dann länger schlafen, mich komplett in Weiss hüllen und … Und was? Irgendwann ist es an der Zeit, dieses Bild neu zu malen. Doch das mache ich morgen. Heute bin ich, was ich bin. Mutter.


Ein Gedanke zu “Seit ich Mutter bin…

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