Warum schaffen es manche, nach einer Trennung oder dem Todesfall des Partners wieder weiterzumachen und sich gar neu zu erfinden, und andere nicht? Liegt es am Charakter? Am starken Willen? Sind es die äusserlichen Faktoren wie Unterstützung aus dem Freundeskreis oder ein solides Einkommen? Warum verbringen manche Frauen von nun an ihr ganzes Leben in Trauer während die anderen anfangen, neu zu leben?
Eine Gebrauchsanweisung gibt es hier leider nicht, und derjenige, der sie mal herausbringen sollte, verdient den Nobelpreis. Doch es gibt durchaus einige Dinge, die jede von uns ausprobieren sollte, um sich zu einem neuen Ich zu verhelfen.
Fangen wir ganz am Anfang an. Und am Anfang stehen wir selbst. Die Frau, die dir jeden Morgen im Spiegel zulächeln sollte. Die es jedoch in den seltensten Fällen tut. Die Frau, mit der du am meisten Zeit verbringst und die dich dein Leben lang begleiten wird. «Liebe dich selbst» – wie oft hast du das gehört oder gelesen? Sei ehrlich zu dir: Tust du es? Oder vergehst du in Selbstmitleid, Selbsthass, Scham oder Schuldgefühlen? Es sind die Achtung und der Respekt, die du verdienst und die du von anderen erwartest, womit du selbst allerdings am meisten geizt. Viel zu oft sind wir weitaus strenger zu uns selbst als zu anderen. Wir knüpfen Erwartungen an uns selbst, die nicht erfüllbar sind. Weil sie die Summe der Eigenschaften sind, die andere haben. Niemand ist vollkommen. Doch wir verlangen von uns selbst, es zu sein. «Liebe dich selbst, nur dann kannst du geliebt werden.» Eigentlich geht der Satz so weiter. Und er ist richtig. Wir haben aufgehört, uns zu lieben, weil wir uns selbst den Wert nicht geben. Wir erwarten, dass andere kommen und ihn erkennen. Doch das wird höchstwahrscheinlich nicht passieren. Denn unbewusst strahlen wir genau das aus, was wir von uns selbst halten. Die Menschen sind Energiewesen. Sie saugen Energie von ihren Mitmenschen und geben, im besten Fall, etwas von ihrer guten Energie auch wieder ab. Doch wenn man sich nicht selbst liebt, gibt es nicht viel Energie, die man geben kann. Und man selbst ist nicht in der Lage, die Energie der Mitmenschen aufzunehmen, da man für Positives blockiert ist. Und so bleibt man zurück, und die Spirale dreht sich nach unten weiter. Ohne Selbstliebe sind wir nicht in der Lage, richtig zu lieben. Und geliebt zu werden.
Als nächstes widmen wir uns der Schuldfrage. Ob nun Gott, der Ex-Partner oder seine neue Flamme – sie alle haben Schuld. Wir zerbrechen an dem Warum. Und wir zerbrechen daran, wer dafür zur Verantwortung zu ziehen ist. Zu akzeptieren, dass es der Lauf des Lebens ist, oder auch das Schicksal, das für den Tod des geliebten Menschen verantwortlich ist, ist die einzige Möglichkeit, seinen Frieden zu finden. Zu akzeptieren, dass man am Scheitern der Beziehung ebenfalls seinen Anteil hat, verlangt genau so viel Kraft. Denn ja, auch wenn zuvor scheinbar alles perfekt war: So perfekt kann es nicht gewesen sein, wenn der Partner sich dazu entschliesst, ohne dich weiterzumachen. Das bedeutet nicht, dass du «schuld» bist, sondern dass du daraus lernen musst. Um die Fehler beim nächsten Mal nicht zu wiederholen. Vielleicht hast du in diese Beziehung mehr Energie reingesteckt als dein Partner. Vielleicht hast du mehr geliebt. Dass er gegangen ist, bedeutet nicht, dass du es nicht wert warst. Sondern dass er es nicht mehr wert ist. Und dass er deinen Wert nicht erkannt hat.
Kümmere dich um deine innere Balance. Das mag vielleicht auch etwas später kommen, denn manchmal möchte man die Gefühle zunächst unterdrücken. Doch auf lange Sicht: Stelle dich ihnen. Weine, wenn dir nach Weinen ist. Lache, wenn dir nach Lachen ist. Schreie, wenn dir nach Schreien ist. Versuche es mit Meditation. Fang langsam an, fünf bis zehn Minuten am Tag. Lerne, dich zu konzentrieren. Das Internet ist voll von angeleiteten Meditationen. Oder zünde dir einfach eine Kerze an, setze dich bequem hin und konzentriere dich auf die Flamme. Wie du es machst, ist nicht entscheidend, aber sicher richtig. Auch Yoga ist hierfür bestens geeignet. Stelle dich deinen Gefühlen. Befreie dich von ihnen. Sie zu unterdrücken oder zu übertönen ist nur kurzzeitig hilfreich. Früher oder später kommen sie hoch, und dann meistens mit voller Wucht. Finde deine innere Ruhe, deine Mitte. Finde wieder zu dir selbst.
Und im nächsten Schritt: Tue das, was dir guttut. Am besten gleich mehrere Dinge. Kaffeeklatsch mit der besten Freundin. Ein Glas Wein mit der neuen Bekanntschaft aus dem Fitnessstudio. Ein langes Telefonat mit der alten Studienkollegin. Ein Konzertbesuch. Ein neues paar Schuhe. Tanzen. Töpfern. Malen. Eine neue Sportart. Ein Ausflug. Ein neues Projekt. Dekoration. Neu einrichten. Das Zimmer farbig streichen. Neuer Kleidungsstil. Neue Frisur. Anderes Make-Up. Sauna. Massage. Die Liste ist endlos. Tue es für dich allein. Weil du dich liebst und es dir verdient hast.
Und wenn das alles nicht genug ist: Suche dir Hilfe. Nimm Hilfe an. Frage danach. Die Menschen lieben dich mehr als du ahnst. Und zu einem Psychologen zu gehen ist weiss Gott keine Schande. Medikamente sind keine Schande. Du bist wichtig. Du bist jetzt. Schiebe das nicht vor dich hin. Probleme lösen sich nicht von allein. Negative Gefühle verschwinden nicht von allein. Sie werden mit der Zeit weniger, ja, doch sie sind noch immer da. Und unberechenbar. Stelle dich ihnen. Nur so wirst du sie los. Setze dich nicht unter Druck. Rückfälle sind in Ordnung. Rückschläge sind in Ordnung. Pausen sind in Ordnung. Folge deinem eigenen Tempo.
Und mit der Zeit wirst du feststellen, dass du dich wieder öffnen kannst. Dass du lachen kannst. Dass du auf Menschen zugehst. Dass du dich inspirieren lässt. Dass die Menschen, die du kennenlernst, dafür bestimmt waren, dir zu begegnen. Weil du von ihnen lernst. Weil sie dein Leben bereichern. Und nach und nach erkennst du, dass du mittendrin bist. Dass du einen Neuanfang gewagt hast. Dass du ein anderer Mensch bist als zuvor. Dass es dir gut geht. Anders, aber gut. Dass du viel stärker bist, als du geahnt hast. Und dass du nicht allein bist.