Die Trauer um einen Verlust des geliebten Menschen, durch Trennung oder das Endgültige, den Tod, ist mit nichts zu vergleichen. Sie lähmt uns. Versetzt uns in einen Schockzustand. Wir können nichts essen. Wir können nicht schlafen. An nichts Anderes denken. Unser Kurzzeitgedächtnis gleich einem Sieb. Die Hände zittern, wir sind ruhelos.
Wie weiter? Wohin mit diesem Gefühl? Was passiert in uns?
Zunächst einmal: Es führt kein Weg dran vorbei, wir müssen das Geschehene akzeptieren. Die dazugehörigen Gefühle annehmen. Sie zulassen. Wir dürfen traurig sein, wütend, verletzt. Wir müssen den Schmerz ertragen, um ihn zu überwinden. Nicht davonrennen. Nicht die Tränen zurückhalten. Sich ausheulen, wann immer sich die Gelegenheit dazu ergibt. Tränen verschaffen auch eine gewisse Erleichterung. Die Wut muss ebenfalls rausgelassen werden. Sei es beim Schreien, im Wald oder in ein Kissen, beim Fluchen, oder beim Sport. Wut und Hass, die wir nicht loswerden, bleiben in unserem Körper wie ein schwarzer Fleck. Und dieser Fleck breitet sich aus. Er bemächtigt sich unserer und er tritt nach aussen vor. In Form von Erkrankungen, Ekzemen oder gar einem Krebs. So sehr man sich gerne verkriechen würde, verstecken, vergessen: Wir müssen da durch. Alle.
Aber, und auch das steht fest: Mit jedem Tag wird es ein Stückchen leichter. Es wird Rückschläge geben, sie gehören dazu, aber die Kurve zeigt trotzdem deutlich nach oben. Nur wir allein können es schaffen. Niemand kann uns diese Trauer nehmen. Es ist in Ordnung. Wir dürfen das. Wir dürfen leiden.
Doch gleichzeitig dürfen wir auch Hoffnung schöpfen. Hoffnung, dass es danach weiter geht. Dass die Sonne auch für uns aufgeht. Dass das Leben das genau so für uns geplant hat. Egal wie hart die Lektion ist, für irgendetwas ist sie wichtig. Wir können den Menschen nicht zurück holen, aber wir können lernen, den Verlust zu akzeptieren und den Schmerz loszulassen. Uns an die guten, die positiven Zeiten mit diesem Menschen erinnern und trotzdem nach vorne sehen.
Einen Verstorbenen bringt das natürlich nicht zurück. Nichts davon. Er wurde einem genommen, ohne dass man irgendetwas hätte tun können. Die Kraft zu finden, hier weiterzumachen, ohne diesen Menschen, die grosse Liebe, den besten Freund oder ein Elternteil, ist unbeschreiblich schwer. Doch, so hart es klingen mag: Das ist der Lauf der Welt. (Ich spreche hier bewusst nicht vom Verlust junger Menschen. Dafür habe ich keine Erklärung, diesen Schmerz zu ertragen übersteigt schlichtweg mein Vorstellungsvermögen.) Wir werden geboren, wir altern, und wir verlassen diese Welt. Alle. Die einen früher, die anderen etwas später. So unfair das auch erscheinen mag. Mir persönlich hilft es unwahrscheinlich, meine Kinder anzusehen. Auch mir steht ein solcher Verlust bevor, der Verlust des besten und grossartigsten Menschen auf diesem Planeten. Das Einzige, das mir Trost spendet, ist das Wissen, dass das Leben genau so funktioniert, dass Kinder geboren werden und Ältere Platz machen müssen.
Auch diesen Schmerz müssen wir überwinden, und auch er wird weniger werden. Nicht sofort, nicht nach einer Monat und vielleicht auch nicht nach einem Jahr. Aber irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem man aufwacht, und der erste Gedanke nicht um diesen Menschen kreist. Und bis es soweit ist, kümmern wir uns um uns selbst. Regelmässig und ausgewogen essen, genügend schlafen, sich in den Arm nehmen lassen, frische Luft, Sonne, ein Eis, Musik, Bewegung. Und, so schwer es manchmal fällt: Lächeln. Zu sich selbst, im Spiegel, und gegenüber anderen. In den meisten Fällen kommt ein warmes, echtes Lächeln zurück.
Es sind oft die Kleinigkeiten, die uns auch in diesen Zeiten ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Die Umarmung der Kinder. Die Freunde. Die Arbeit. Ein schönes Kleid. Ein Friseur-Besuch. Ein freundliches Gesicht. Verschliesst nicht die Augen, bleibt offen. Der Panzer, den man sich nun gerne überstülpen würde, um die Verletzung kein zweites Mal ertragen zu müssen, ist nicht die Lösung für einen Neuanfang. Der Spruch „Alle Männer sind doch gleich“ ist falsch. Das sind sie nicht. Schau Dich um. Es gibt sie, und eines Tages auch für Dich.
Mir persönlich hat es auch geholfen, mich sozial zu engagieren. Das Schicksal hat mich hier mit einer aussergewöhnlichen Frau zusammengebracht, die mir eine gute Freundin wurde. Es tut gut, Gutes zu tun. Denn was hier zurückkommt, ist viel mehr, als die Bestätigung, die man im Job erhält. Es ist echt, es ist nicht monetär. Es ist Karma.